- mal anders
av Paul Salinger
159,-
Ganz so dramatisch hatte ich mirmeine Reise nicht vorgestellt, aber etwas Abenteuer konnte nicht schaden.Pauschalreisen waren noch nie mein Ding.Wir waren wieder Reiseweltmeister geworden.Ein gigantisches Touristen-Heer zogJahr für Jahr durch die Weltund hinterließ seine Spuren, mitunter der Verwüstung, aber auch der Heiterkeit.Reisen, das galt einmal originär als Fortbewegung, eine zeitlich überschaubare Form der Migration, im Volksmund auch Tapetenwechsel genannt.Die Zeiten hatten sich geändert, und zwar grundlegend.Im Radio wurden gebetsmühlenartigdie Staulängen verkündetEs lockte azurblaues Meer, wunderschöne Frauen inBikinis oder Männer mit Waschbrettbäuchen.Ich muss weg, dachte ich. Aber, das schienen alle zu denken.Kurz mal in den Flieger und für 20 Euro nach London, Paris, Budapest, Rom, Barcelona...oder eben nach Mallorca.Wer reiste schon im November nach Mallorca, wenn er nicht unbedingt musste.Das war meine Chance.Mallorca hatte sich plötzlichin meinem Kopf breitgemacht unddas hing unmittelbar mit Zuständenan meinem Wohnort zusammen.Manche nannten ihn Heimat, ich nicht.Ich befand mich im deutschen Mittelgebirge, zudem noch in der Mitte Deutschlands.Das klassische Gebiet ohne Weitsicht.Ich hatte schon immer das Gefühl gehabt, ich müsse weg.Ein Social-Media-Freund, den ichauf Facebook kennengelernt hatte, einer von 399 Freundinnen, hatte mich eingeladen.Ich startete eine Kontaktaufnahme zu Achim Kaiser, dem freundlichen Finanzdienstleister "der deutschen Teilrepublik" Mallorca."November ist auf Mallorca Regenzeit, Sal. Überlege es dir gut."Ich dachte einen Augenblick nach."Achim, ich brauche nur eine Matratze. Ich muss hier weg..."Der freundliche Herr Kaiser stammte ausdem Osten, irgendwo bei Dresden.Er wohnte im Inselinneren von Mallorca.Achim war an meiner Literatur interessiert.Lesungen mit satirischer Note.Er bot mir an, eine Lesung auf Mallorca zu halten. Mallorca hatte ich nie mit Tugendhaftigkeit verknüpft.Am Strand stattlich gefüllte Eimer mit Bier und Sangria.Bierbäuche mit Bild-Zeitung als Sichtblende.Mallorca, das waren die heiligen Messen der Schlagerfuzzis.Achim funkte mich an: "Wir werden das Schiff schon schaukeln.Mach dich auf den Weg."Das Wetter in Deutschland verfiel in seine gewohnte Traurigkeit.Nässe, Kälte, kahle Bäume.Auf Mallorca wären es zwanzig Grad.Ich würde die Bier-, Gin- und Wodkaleichen einfach ignorieren, hatte mein Fahrrad, meinen Schlafsackund meine Isomatte dabei.Das war meine Reiseversicherung, falls es Probleme geben sollte... Also auf nach Mallorca...!